7
Nov
2011

Kandinsky: Durchgehender Strich (1923)

Ich bestehe aus geraden Linien und rechten Winkeln, die aus der Perspektive schräg erscheinen. Kein Wunder, denn ich bin groß und noch weit weg, aber im Bild schon zu sehen. Wie ein kometenhafter Gitterrost, ein kosmischer Absperrzaun oder ein fliegender Riesenparavent aus japanischem Reispapier. Um mich herum kreist ein bunter Planet, erschaffen aus Sternenstaub mit einem Zauberstab.

Wo ist das Zentrum?

Um mich her ist so viel Chaos, und doch hat alles seine Ordnung: Die Farben, Formen und Linien und der Raum dazwischen. Und ich, das Gitter aus schwarzen und weißen Linien. Wie ein Netz treibe ich hinein in dieses Bildaquarium, bereit, die dicken roten Fische einzufangen. Stattdessen angeln Blicke nach uns, verfangen sich, verweilen, schwenken weg: Bildunterschrift. Von uns fällt keiner aus dem Rahmen, überschreitet die Grenze, die der Maler uns gesetzt hat. Man sagt, er habe bewusst gewählt. Wie ein Gott, Schöpfer meiner Welt.

entstanden nach dem Workshop Ich & Rolle, Wiener Schreibpädagogik, Oktober 2011
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