12
Jan
2011

Immer wieder Winti

Die letzten vier Wochen verbrachte ich als selbst ernannte Writer in Residence von "Winti", wie seine BewohnerInnen es zärtlich nennen. Oft spazierte ich durch die Rebhänge oberhalb Veltheims, das sich mit seinen Fachwerkhäuschen den heimeligen Charakter eines Weindorfes bewahrt hat. Von dort schaute ich in die Landschaft, an klaren Tagen bis in schneebedecktes Gebirge hinein, und verarbeitete meine Eindrücke. Eine neue Landschaft, eine ungewohnte Sprache, Zeit und Raum zum Schreiben und ein Schreibgspändli, mit dem ich mich austauschen und Ideen entwickeln konnte. Ein Romanmanuskript ist fertig geworden und reift nun seiner Überabeitung entgegen, ich habe beobachtet, gefrühstückt und gebloggt, Tai Chi geübt, meditiert, an Geräten trainiert, in Buchläden gesessen und mich an der individuellen Auswahl erfreut.
Ich hatte Zeit für all das und mehr. Von den 17 Museen habe ich immerhin drei besucht. Der gestrige Tag im Kunstmuseum beeindruckte mich noch einmal sehr. Ältere und neue Meister wie van Gogh, Monet, Klee, Mondrian; Gerhard Richters nachtdunkler Zyklus "Elbe".
Die Ausstellung "Projekt Sanierung" mit Fotografien und Zeichnungen der Winterthurer Künstler Aerni und Sala zeigte mir, dass man auch eine Baustelle künstlerisch begleiten kann - wie die Sanierung des Museums selbst, von 2008 - 2010.
Und dann noch der spannende Gegensatz zwischen dem monumental wirkenden Altbau von 1915 und dem achtzig Jahre jüngeren Erweiterungsbau: Hohe Räume unter Sheddachlichtern, nackte Betonböden mit Fugen an den Rändern, in denen lose die Kabel verlegt sind. Der provisorische Charakter stört die Ausstellung nicht, sondern lenkt den Blick auf das Wesentliche: Die großzügig gehängten Exponate. Dazu die großen Fensterflächen - sie holen das Draußen ins Innen. Dann stehe ich vor einem Bild mit reflektierender Scheibe. Ich sehe mich selbst, durch eine dunkle und eine helle Fläche zweigeteilt, mein leuchtender Schal kommuniziert mit einem orangefarbenen Keil im Bild. Kunst, geht es mir durch den Kopf, Kunst als Spiegel meiner Selbst. Da passt es gut, dass eines der neueren Werke Gerhard Richters ein Spiegel ist. Wenn auch als solcher nicht zu erkennen; er reflektiert einfach nur das Weiß der gegenüber liegenden Wand. Bis ich hochspringe und meine Hand darin sichtbar mache.
Nach einer Erholungspause im Museumscafé gehe ich noch einmal langsam mit meinem Notizbuch durch die beiden Gebäudeteile, Räume und Bilder fließen ineinander. Ruhige Räume, Reflexionen - im Innen und Außen.
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