25
Okt
2010

Ich hab noch einen Schal in Wien

Auch Wien ist eine Stadt, eine Großstadt gar. Deshalb reise ich mit dem Zug dorthin. Und natürlich, weil ich beim Autofahren nicht lesen kann. Im Zug dagegen schon. Dort fällt es leicht, mich zu konzentrieren. Diesmal hatte ich die Texte meiner Kurskolleginnen der Wiener Schreibpädagogik im Gepäck. Lyrik, Erzähl-, Erinnerungs- und Traumtexte, Geschichten für Kinder und Erwachsene, Experimentelles und Bewährtes, große Themen: Verantwortung, Liebe, Wachstum, Sucht und Tod, Geheimnisse. Die volle Breitseite des Lebens. Stimmungen und Gefühle stiegen auf, wir spürten Bildern und Klängen nach und versuchten die innere Logik der Texte zu entschlüsseln. Mathematisch anmutender Wortwitz, geballte Sprachgewalt oder leise, aber deshalb nicht weniger eindringliche Töne. Jede durfte einmal auf dem Stuhl der Kursleiterin Platz nehmen und die Runde anleiten, um uns Vom Feedback zur Kritik zu führen.

Heute gönnte ich mir noch einen Vormittag in Wien, um all das nachklingen zu lassen. Ich kostete die Stadt bis zur letzten Minute aus, traf die Freundin einer Freundin zum Cappuccino. Dann brach ich eilig zum Bahnhof auf, wo ich bemerkte, dass mir mein Schal abhanden gekommen war. Unbemerkt zwischen den Café-Stühlen zu Boden gefallen. Die Freundin hob und hebt ihn für mich auf. So habe ich etwas in Wien zurück gelassen, und das gefällt mir. Ich hab noch einen Schal in Wien.
757 mal gelesen

Alltagsfreuden
Altlasten
Dichtung und Wahrheit
Essen und Trinken
Experimente
Geschichten
Haus- und Handarbeit
Menschen
mobil
music & movies
radicchia 2.0
Reisen
Selma
Stadt und Land
Über mich
Verdammte Technik
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren