23
Apr
2011

Waldlermeditation

Der Ort schweigt. Die Wirtshäuser geschlossen, Kurven wie Reißverschlüsse, Sackgassen. Der Kurpark in der Flutmulde. Wo ist das Zentrum, wo die Straße nach D.? Motorräder vor dem Windbeutelcafé. Folge den hochgeklappten Bürgersteigen, staubige Straße führt mich hinaus. Und dann: La dolce vita fängt mich auf. Ein Italiener, hier! Pizza, Eis und Cappuccino, der Tag ist gerettet. Während ich esse, erscheint ein Mann. Mittelalt, mittelgroß, gestreiftes Sweatshirt, langärmelig. Es muss ein Einheimischer sein, der nicht beim ersten Ostersonnenstrahl schon in Euphorie ausbricht - ganz anders nebenan die Touristinnen mit ihren Spaghettiträgern. Servus, grüßt der Mann, die Stimme sanft, die Augen melancholisch. Er bestellt sich ein Weißbier, über dem er die nächste halbe Stunde meditieren wird. Wird es ihm gelingen, den schweren Ballast abzuwerfen, den er mit sich trägt? Oder belohnt er sich nur für die erste Gartenarbeit, den Reifenwechsel für die gesamte Familie?
Ich versuche, ein paar gescheite Sätze in mein Notizbuch zu schreiben, aber es will mir nicht gelingen. Auch ich habe mich angestrengt, freiwillig. Zweieinhalb Stunden Sonne und Wald, Felsen und Aussicht. Nun sitze ich fleeceumhüllt im Schatten.
Der Mann wechselt den Platz, hält sein Gesicht in die Sonne, schweigt. Nach geraumer Weile kommt das nächste Bier. So meditieren die Waldler.
402 mal gelesen

Alltagsfreuden
Altlasten
Dichtung und Wahrheit
Essen und Trinken
Experimente
Geschichten
Haus- und Handarbeit
Menschen
mobil
music & movies
radicchia 2.0
Reisen
Selma
Stadt und Land
Über mich
Verdammte Technik
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren