20
Aug
2012

Amaros Welt

Er sieht sich selbst als Umweltschützer, das Ordnungsamt schickt ihm Bußgeldbescheide. Immer mal wieder langt Amaro zu - zum Beispiel in die Schachtel bunter Kreiden, mit denen er hin und wieder Botschaften auf dem Pflaster vor dem Neuen Rathaus zu Regensburg hinterlässt. Und zwar regengeschützt unter dem Sitzungssaal, der an dieser Stelle die Martin-Luther-Straße überspannt.
Wir erinnern uns: Amaro ist der Guerillagärtner, der in dem seit Jahren brach liegenden Bebauungsloch (die Lücke klafft nicht in der Breite, sondern in der Tiefe) am Peterstor sein Obdach genommen und dort eine liebevolle Gartengestaltung aus Fundstücken, urbanem Treibgut und wild wuchernden Pflanzen geschaffen hatte: Ein herzförmiges Hochbeet aus alten Klinkersteinen, verwunschene Pfade aus alten Pflasterplatten oder eine Zuflucht für verlorene Teddybären - das war Amaroland. An der Mauer oberhalb hing eine bemalte Milchkanne mit einem Einwurfschlitz für Spenden und Blumensamen.
Inzwischen ist der Garten geräumt, unter Protest natürlich. Doch auch wenn Amaro diese städtebauliche Wunde in ein blühendes Kleinod verwandelte, so gehörte der Platz doch nicht ihm. Er wusste, dass es sich bestenfalls um eine Inbesitznahme, eine Besetzung auf Zeit handeln konnte.
Amaros Garten ist Geschichte, doch sein Protest geht weiter: So wie jüngst, als er ein "Müllfundbüro" unter dem Sitzungssaal einrichten wollte. Fein säuberlich hatte er eine Blume aufs Pflaster gemalt und einen Pfeil gezogen zu einer Stelle an der Mauer, wo sich bereits Zigarettenkippen türmten, als ich vorbeikam. Während ich die in kunterbunter Kreide geschriebene Botschaft las, kam der Meister persönlich vorbei. Er wolle auf den Dreck aufmerksam machen, der überall im Stadtgebiet herumliege. Einen Schuldigen hatte er auch schon ausgemacht: Das Ordnungsamt, das nur dann einschreite, wenn er selber den Müll der Anderen sammle und an anderer Stelle konzentriert wieder ablege. Dabei sei er doch nicht der Müllverursacher, sondern nur der, der darauf aufmerksam mache.

Eben. Ich wies ihn dezent drauf hin, dass doch zunächst mal jeder Einzelne für seinen Müll verantwortlich sei - das Ordnungsamt kann zwar Bußgelder verhängen, aber nicht viel am Bewusstsein der BürgerInnen ändern. Ob wohl die Kreidebotschaften dies vermögen?
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