24
Dez
2012

Piemonteser Fundstücke

Mir gefällt die Idee, aus ein kleinen Fundstücken große Literatur zu machen. Ob das im vorliegenden Fall gelingt, sei dahin gestellt. Aber es ist ein guter Anlass zu zeigen, wie (meine) Phantasie funktioniert: Aus einem Buch, ich weiß nicht mal mehr welches, auf jeden Fall hatte ich es aus der Bibliothek geliehen, fiel eine hübsche Visitenkarte heraus. Darauf der unregelmäßige Schriftzug, als sei er von Hand geschrieben, selbst gleiche Buchstaben fielen unterschiedlich aus - das erste große "L" mit geradem Schwung und kleinen, runden Schleifchen ausgeführt, ein zweites Mal eckig und fast krakelig: Der Name einer Azienda Agricola Biologica, geführt von einem Mann mit deutschem Namen. Dazu einige Nümmerchen, E-mail- und Internetadresse. Ein Weingut im Herzen des Piemont, diesem Landstrich zwischen Frankreich, dem Lago Maggiore und Ligurien, zwischen Bergen und Meer. Heimat der gleichnamigen Kirsche und, neben der Toskana, vermutlich auch Sehnsuchtslandschaft vieler Deutscher. Der Empfänger oder die Empfängerin dieser Visitenkarte muss irgendetwas mit mir gemeinsam haben, das schließe ich daraus, dass wir uns beide für das gleiche Buch interessierten. Vermisst er oder sie die Karte nun, oder war sie im Gegenteil nicht so wichtig, da im Buch vergessen? Doch eigentlich interessiert mich das nicht. Das kleine Kärtchen ist viel verheißungsvoller. Was wäre, wenn einer Romanfigur das Gleiche zustieße - inmitten einer kleinen Krise vielleicht, wo die Neugier auf das fremde Weingut und seinen Besitzer die Phantasie anheizt und etwas Trost in einen grauen Alltag bringt? Was, wenn sich die Romanfigur auf eine Reise begäbe, eine Heldinnenreise gar, wobei es nicht wirklich wichtig wäre, ob sie dann tatsächlich im Piemont landete oder ganz woanders - Hauptsache, sie käme innerlich nach Hause.
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