3
Aug
2012

Alles auf Anfang im Atelier

Mein Schreibtisch steht direkt vor dem geöffneten Fenster, mit Blick auf verschachtelte gelbe Altstadthäuser. Hinter den Mauern sind begrünte Innenhöfe mehr als zu erahnen; eine schöne große Kastanie ragt ins Bild und nimmt mir fast den Domblick. Doch das, was von den beiden Domspitzerln zu sehen ist, hebt sich deutlich gegen den blauen Augusthimmel ab. Zwei Edelstahlschornsteine blitzen im Sonnenlicht. Tauben gurren, eine Katze maunzt kläglich. Ich sehe nach Lili, der künstlerhauseigenen Katze, die ich mitgemietet habe und dieses Wochenende ganz allein versorgen darf: Gottlob, sie ist es nicht. Der Maunzer sitzt auf dem Balkon im Innenhof vor einer geschlossenen Tür. Dann fährt unten ein Auto vor: Ums-Ums-Musik. Später dann Nessun dorma, der Nachbar schmettert: Vincerò! Vincerò!! Dann eine andere Oper, die ich nicht kenne, und aus einer anderen Ecke Rap.

Was für eine Kakophonie.

Und alles klingt, als wäre es gleich nebenan. Das Künstlerhaus KUSS, seine Nachbarschaft, das Leben draußen nehmen mich in Besitz - nicht umgekehrt. Vielleicht liegt es daran, dass ich ein paar Wochen gezögert habe. Fast unmerklich, gab es doch scheinbar immer etwas zu tun. Anfang Juli rückte ich erst einmal mit Füllspachtel an und modellierte die Übergänge zwischen dem bunten Fliesenmosaik und der Vormauerung, die den Raum an zwei Seiten umschließt. Ich mag das hübsche Sims, das sich dadurch ergibt. Dann: Zwei Wochen Stillstand; doch aus dem Urlaub brachte ich einen Eimer Farbe mit. Ich weißelte, putzte Boden und Fenster. Montierte Lampen, kaufte ein Regal und transportierte alles Restliche mit dem Fahrrad oder zu Fuß: Die Korbsessel (die sich vorzüglich verkehrtherum über dem Fahrradkorb festzurren lassen!), die beiden Klappstühle, die Tischbeine. Zugegeben, der Muskelkater nach der Malaktion hat schon dazu beigetragen, den Raum zu meinem zu machen.

Und heute baue ich endlich einmal mein Laptop hier auf. Der Surfstick, der USB-Hub mit eigener Stromversorgung, alles da. Das Kabelgewurschtel auf dem ansonsten leeren Tisch sieht etwas uninspiriert aus, aber auch nach produktiver Arbeit.

Werde ich hier wirklich konzentrierter schreiben? Ich könnte doch stattdessen noch das zweite Lämpchen installieren, und das Regalbrett nebenan sitzt auch nicht richtig... ob ich wohl mal nach Lili, der KUSS-Katze schauen soll? Oder der Spülmaschine? Ich werde auf jeden Fall so lange bleiben, bis sie fertig ist.

Zum Inbesitznehmen gehört auch, dass ich irgendwann einkaufen gehe. Kaffee, Getränke, vielleicht ein großes Glas. Zwar darf ich vorerst alles mitbenutzen, auch das schöne Geschirr der Keramikerin, die gleich nebenan ihre Werkstatt hat - was für eine inspirierende Umgebung! Und es gibt eine gemütliche Gemeinschaftsküche. Noch habe ich nicht wirklich rausgefunden, wie das Gemeinschaftsleben funktioniert und welchem Rhythmus es folgt. Immerhin habe ich schon mit den Vermietern draußen vor dem Haus gesesessen - denn ja, eine Terrasse hat das Haus auch noch! Und einen Raum im Erdgeschoss, der sich für Kurse oder Lesungen eignet... Aber erst mal möchte ich ein regelmäßiges Schreibtreffen einrichten. Und natürlich werden hier auch Romane geschrieben werden.

Und Blogeinträge. Auf zur nächsten Etappe meiner Schreibreise!
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