Alltagsfreuden

18
Okt
2012

Sicherer Grund

Haus und Grund erzittern; vor meinem Fenster hebt und senkt sich der Greiferarm über der Ladefläche des Kippers, auf der sich bereits eine große Menge Straßenaufbruch stapelt. Herbstlich orangefarbene Fahrzeuge, weißer Zuschlag im Asphalt. Grauer Himmel. Ich steige hinab in den Keller, den ich noch nie besichtigt habe: Dunkel und kühl ist es hier, ein wenig gruselig - doch wenig aufregend das Hab und Gut, das sich im Lauf der Jahre hier angesammelt hat. Selten oder saisonal Benötigtes, Ausrangiertes vielleicht, das irgendwann noch einmal einer neuen Bestimmung zugeführt wird. Platz für mehr als eine Kiste Bier, ein paar Flaschen Wein? Und vermutlich konstante Temperaturen. Solide stehen die Mauern, Vertrauen erweckend fest der Untergrund.
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29
Sep
2012

Bei der Friseurin

Über neunzig Prozent aller Friseure sind weiblich. Warum heißt es dann fast nie: "Ich gehe zur Friseurin?" Nein, die meisten Menschen gehen nach wie vor "zum Friseur", selbst wenn in dem Salon nur Frauen arbeiten.- Im Salon Edda gibt es immerhin "einen Paul". Der Paul hat einen weißen Rauschebart, der ihn zum besten Aushängeschild für die Friseurzunft macht, und ist schon etwas älter. Wie überhaupt das ganze Publikum. Ein Teil der Kundinnen kommt mit dem Rollator. Wahrscheinlich halbiere ich den Altersdurchschnitt, sobald ich eintrete (geht das mathematisch überhaupt?), aber was soll's: Ich fühle mich dort wohl. Jedenfalls wird mir immer die jeweils anwesende jüngste Friseurin zugeteilt. Bis vor einer Weile war es Tanja, deren Schere mir in einem Affenzahn durch die Haare fuhr. Sie ist in meinem Alter und hat inzwischen zwei Kinder, weshalb sie nicht mehr Vollzeit arbeitet. Den letzten Schnitt bekam ich von Sophia, einer sehr jungen Friseurmeisterin, die wirkt, als hätte sie alle Zeit der Welt - vermutlich braucht sie aber nicht länger als Tanja, und das Ergebnis gefällt mir genauso gut. Die beiden haben einfach nur ein deutlich unterschiedliches Temperament, so scheint mir.
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20
Sep
2012

Im Hallenbad

Das Hallenbad ist einfach mein Lieblingsbad in Regensburg: Altstadtnah am Rand der Ostenallee gelegen, in den 50er Jahren erbaut und mit entsprechendem Charme ausgestattet. Und das Wasser im einzigen Schwimmerbecken fühlt sich stets ein paar Grad wärmer an als das im Sportbecken des schickeren Westbads, obwohl in beiden 26 Grad herrschen sollen. Ich weiß auch nicht, woran das liegt. Das Beste aber ist das Dampfbad, das Badegäste nutzen können, ohne extra in einen teuren Saunabereich wechseln zu müssen. Meistens gehe ich donnerstags ins Hallenbad, schwimme 20 Minuten und lasse mich dann vom heißen Dampf aufheizen. Die zweite Schwimmrunde fällt dann gemächlich aus, ich schwebe nahezu und mein Tempo nähert sich dem der Rentergruppen an, die das Bad um diese Zeit bevölkern. Nach dem zweiten Dampfgang liege ich dann - meistens drinnen auf der Liege, aber vielleicht auch draußen auf der Sonnenterrasse. In einem bequemen Liegestuhl oder auch mal daneben, wie letzten Herbst, als ich auf den a... glatten Außenfliesen ausglitt. Das ist das Einzige am Hallenbad, was ich nicht so gut finde.
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13
Sep
2012

Tempel der Göttin, Rose des Orients

Ein Hauch von Luxus und Fülle: Tees mit blumigen Namen wie Rose des Orients oder Tempel der Göttin. Letzteren erhielt ich als kostenlose Dreingabe und nun sitze ich hier gemütlich schlürfend im Atelier. Überhaupt, wenn das Leben fade schmeckt, ist ein Besuch im Teeladen angesagt. Allein schon der Duft, der den vielen verschiedenen, sauber aufgereihten Blechdosen entströmt... ich würde ja meinen Lieblings-Teeladen Tee In auch gern verlinken, aber er ist so gut, dass er keine Internetpräsenz zu brauchen scheint. Ohne ihn hätte ich wahrscheinlich nicht mal mein Studium geschafft... Was der Tee für die Sinne, ist der Buchladen für den Geist - wobei auch hier die Sensorik nicht zu kurz kommt. So habe ich mir tatsächlich jetzt schon meinen Terminkalender (ja, es gibt Menschen, die benutzen Planungstools in Buchform!) für 2013 gekauft. Denn angenehmerweise stehen da schon einige Termine für Schreibwerkstätten fest. Und das Terminplanbuch ist heuer kein Themenkalender (wie die Berühmten Frauen, auf die meine Wahl zwei Jahre hintereinander fiel), sondern ein Kalender, der einfach nur Kalender ist. Zumindest innen. Außen ziert ihn "Bukett auf Elfenbein: Mit einer zeitlosen Eleganz erinnert die stille Schönheit dieses Blumenmusters an die stilvolle Verfeinerung eines Salons des 19. Jahrhunderts." Das Blumenmuster darf man sich als optisches Pendant der oben genannten Teesorten vorstellen.
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4
Jun
2012

Am Lehrbienenstand

Im Wald nahe Altenthann, kaum 25 Kilometer von Regensburg im so genannten Vorwald: Eine Herrenrunde mit Weißbier, anheimelnd unter dem Vordach einer rustikalen Hütte aus Fichtenholz verborgen. Die beiden Wanderinnen zögern, doch schon kommt ein Herr in Stoffhosen und Sakko auf sie zu. Dies sei der Imkerverein, man treffe sich hier jeden Sonntag, um sich auszutauschen. Gemütlich sieht der Austausch aus! Und schon sind wir mittendrin. An der Seitenwand der Hütte fliegen unaufhörlich Bienen ein und aus. Ein einziger pelziger Teppich vor den Fluglöchern - beeindruckend. Wir treten ein und dürfen die Bienenstöcke von hinten anschauen. Dass Bienen nur aus Notwehr stechen, weiß jedes Kind. Woran man alte Bienen von den jungen unterscheidet, schon weniger: Die jüngeren haben noch gelbliche Flaumhaare, erklärt uns unser Imker. Das auf dem Wabenschrank umherkrabbelnde, dunkle Exemplar muss demzufolge schon eine Oma sein. Aus den Bienenstöcken klingt tausendfaches Summen. Nicht sehr laut, aber man kann spüren, dass es viele sind. Ein energetisierender Sound. Erstaunlich eigentlich, dass so viele Imker Männer sind, denn so ein Bienenvolk ist fest in Frauenhand. Die Drohnen werden nur hin und wieder zur Paarung gebraucht. Unser Imker nimmt meine Nachfrage mit einem Lächeln auf: Inzwischen interessierten sich immer mehr jüngere Frauen für die Imkerei.
Eine Arbeit, die sicherlich nur mit Hingabe zu bewältigen ist.
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16
Mai
2012

Bayerisch abheben - do legst di nieder

Bares in Bremen: Wie überall an Geldautomaten erhältlich. Nur an welchem kostenfrei? Probehalber schiebe ich die Plastikkarte in einen EC-Automaten unbekannter Zuordnung. Ob ich für das Abheben bezahlen muss, wird er mir schon sagen. Doch erst einmal bietet er mir verschiedene Sprachen an. Aufmerksame LeserInnen erinnern sich vielleicht daran, dass ich mir gerne den Spaß mache, eine fremde Sprache auszuwählen. Doch was ist das? Neben Türkisch, Englisch, Französisch bietet er mir - Bayerisch! Und das im hohen Norden! Ist das Diskriminierung oder Entgegenkommen? Egal. "Do muasst dei Geheimzoih eigebm", spricht der Automat. Klaro. Und: "Mir berechnen dir 4,99. Dei eigne Bank verlangt nix mehra." Oder so ähnlich. Ich drücke auf Abbrechen. "Mogst nimmer?" fragt der Automat. Na, mog i nimmer. Ned amoi auf Boarisch!
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5
Mai
2012

Glitzerträume

Wann komme ich endlich in die Pubertät?, fragte ich mich letztes Wochenende, beim Workshop Autobiografisches Schreiben in Wien. Am Anreisetag war ich schon an diesem Geschäft vorbeigekommen, dem ich einfach nicht widerstehen konnte: Tausende bunter Glasperlen und Glitzersteine. Die beiden Matrjoschkas in Miniaturform musste ich unbedingt haben. Auch wenn ich noch nicht genau wusste, was ich damit anfangen sollte. Gestern war es so weit: In meinem Lieblings-Handarbeitsgeschäft fand ich nicht nur das passende Zubehör und Werkzeug (Fädelstifte, Ohrhaken, Seitenschneider und Zangen), sondern auch eine nette Verkäuferin, die mir zeigte wie es geht. Nämlich kinderleicht... die Mini-Matrjoschkas "hängte" ich gleich im Laden, heute Morgen entstand noch ein Pärchen Ohrringe aus rosa Glaskugeln und silberfarbenen Miniaturröschen. Klingt mädchenhaft? Ist es auch. Aber nicht besonders pubertär, auch wenn ich mich jetzt daran erinnere, dass ich als Jugendliche gerne mit Modeschmuck experimentierte. Heute ist es wohl die Lust am Basteln und Spielen, die mich bewegt.
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14
Apr
2012

Wäsche im Wind

Ich liebe es, wenn frische Bettwäsche nach Draußen riecht und nicht nach Keller. Nur manchmal ist es nicht so eindeutig - wird das Wetter halten, reicht die Zeit bis abends noch aus, oder wird die Wäsche wieder Feuchte ziehen, bevor ich sie abnehmen kann?

Der Wind war kühl auf der Haut, während ich mit der nassen Wäsche hantierte. Doch er wehte kalt und trocken, die Wäschestücke wanden und blähten sich fest umklammert an der Leine - bis eben, als ich sie trocken von der Leine pflückte. Zufrieden wickelte ich die gelbe Schnur wieder ein, fand dann noch einen Euro auf der Wiese und bedauerte die Tulpe, die - aufrecht und standhaft neben der Wäschestange - im Luftzug bebte.
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29
Feb
2012

Schalttag

Heute ist Schalttag. Der 29. Februar, ein Datum, das es in drei von vier Jahren regelmäßig gar nicht gibt. Ein Tag mehr Produktivität für die Arbeitgeber und Dienstherren, ein Tag mehr Zeit für Arbeit, Müßiggang oder auch Spiel: Als Kinder fanden wir so etwas noch aufregend - ungeheuerlich, dass es Menschen gibt, die nur in Schaltjahren "richtig" Geburtstag feiern können!Trotzdem habe ich den heutigen Tag noch gar nicht richtig gewürdigt.

Eine Schweigeminute für den Schalttag bitte! Was wäre, wenn es ihn nicht gäbe? Schon März? Und wäre der Mittwoch verschwunden in den Unregelmäßigkeiten der Zeit, verschluckt zwischen Dienstag und Donnerstag? Wer weiß.
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25
Feb
2012

frühlingsgefühl

ich fließe
durch den lauen strom
der passanten
mein kopf
spielt unter wasser
ich bin
dem winter
entrückt
der nahe frühling
fährt mir in die
schläfrigen gebeine
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