Dichtung und Wahrheit

18
Mrz
2012

Ich spucke gegen den Wind

Eines der Bücher, die mich in meiner Jugend faszinierten und die ich seither immer wieder gelesen habe, heißt Ich spucke gegen den Wind. Scheinbar autobiografisch schildert die kalifornische Autorin Joan Lowell ihre Kindheit und Jugend auf See, an Bord des Segelschiffes ihres Vaters. Schlichte, harte und doch poetische Geschichten waren das, farbige Schilderungen ferner Südseeinseln und allzu gegenwärtiger Gefahren, monatelang auf dem Meer unter rauen Seebären, von denen sie das Fluchen lernte, bei schlechter Verpflegung und eintöniger schwerer Arbeit. Ihr Vater, der Kapitän, erklärte ihr das Leben und die Naturwissenschaften mit Hilfe der Bibel, nautischer Berechnungen und durch Beobachtung der Naturgewalten.

Alles erfunden, wie mir wikipedia jetzt schonungslos offenlegte. Sollten mir schon früher Zweifel gekommen sein, so schob ich sie immer wieder in das Schublädchen meiner jugendlichen Naivität zurück.

Möglicherweise verbrachte Joan Lowell wirklich einige Monate auf einem Segelschiff (die erfundene "Biografie" wirkt zumindest gut recherchiert), und auch an Abenteuerlust scheint es der Journalistin und Stummfilm-Schauspielerin nicht gemangelt zu haben: In zweiter Ehe heiratete einen ehemaligen Kapitän und ging mit ihm nach Brasilien. Ihrem zweiten Buch zufolge baute sie dort eine Kaffeeplantage auf. Zumindest aber starb sie 1967 in Brasília, der Hauptstadt.
1080 mal gelesen

17
Feb
2012

schreiben wirkt

schreiben wirkt
gegen den seltsamen traum der letzten nacht
der dich wehmütig macht
schreiben wirkt
gegen das vergessen
dass du mehr kannst als funktionieren
schreiben wirkt
gegen sehnsucht
und erinnerungsstau
schreiben wirkt
gegen die erstarrung
von fingern, herz und hirn
431 mal gelesen

9
Feb
2012

wenn du wachliegst

wenn du wachliegst
mit offenen augen
wenn du wachliegst
zwischen lauten gedanken
wenn du wachliegst
im stillen meer der nacht
wenn du wachliegst
in deinen eigenen armen
wenn du wachliegst
und die nacht in dir ist

dann hol dir
einen tagtraum
in dem du schläfst
384 mal gelesen

8
Feb
2012

wenn du schläfst

wenn du schläfst
ist deine seele wach
wenn du schläfst
träumst du dein leben
wenn du schläfst
ist dein körper stand.by
wenn du schläfst
ist dein bewusstsein auf reise
wenn du schläfst
badet deine seele in bildern
wenn du schläfst
wird die nacht zur nacht
wenn du schläfst
unter dem sternlosen dach
deiner lider
455 mal gelesen

5
Feb
2012

Literatur...

... ist für mich interessanter als die Wirklichkeit, sie war es immer und wird es immer bleiben.

John Irving
435 mal gelesen

4
Sep
2011

Nach-Lese

Scheune

Drei Wochen ohne Internetzugang: Eine willkommene Auszeit, nach der es mich nun heftig in den Fingern juckt! Vor allem, da ich in dieser Zeit nicht nur Urlaub machte, sondern meinem Zweit-Beruf als AutorIn und Schreibpädagogin in Ausbildung nachging. Die Scheune Lehen in St. Gerold im Großen Walsertal ist ein wunderbarer Ort, zum Lesen genauso wie zum Meditieren und Schreiben: Inmitten von Bergen und grünen Wiesen, etwas abseits noch vom ohnehin schon kleinen Ort St. Gerold.

Klein, aber fein und sehr vielfältig präsentierte sich unsere Lesung am Abend des 12. August. Hier die Rezension in den Vorarlberger Nachrichten vom 19. August 2011.

Am nächsten Tag dann zog es uns zusammen die Berge: Eine Vorarlbergerin, eine Tirolerin und eine Bayerin. Dabei nahm ich mir vor, künftig wieder öfter das Donautal zu verlassen und das Bergeerklimmen zu trainieren! Der Aufstieg auf die Gaßneralpe (1.562 m ü. NN) konnte gerade noch als Genusswanderung gelten, zum Weitergehen hätte ich mir mehr Kondition gewünscht. So lagen wir eine Weile auf der Alpwiese. Von der bewirtschafteten Alphütte, der Sennerei und den anderen Hütten drangen Geräusche der Betriebsamkeit herüber - ein kleines Dorf hoch über dem Großen Walsertal. Nach einer Brotzeit auf der Wiese genehmigten wir uns noch ein Radler auf der Alphütte. Die Tirolerin lud ein, die Vorarlbergerin dolmetschte, die Bayerin sortierte ihre diversen Tücher, die sie am Berg vor Wind und Sonne schützen.

Dann kam der Abstieg. Ein Schild, das direkt auf eine Wiese zeigte, sorgte für Verwirrung: Sollten wir über den Weidezaun steigen und uns geradewegs den Abhang hinabstürzen? Da entdeckten wir einen Mann, mit seinem Bier und Keksen friedlich allein vor seiner etwas abseits gelegenen Hütte. Er stellte sich als erstaunlich gesprächig heraus und zeigte uns das winzige Haus aus dem 17. Jahrhundert, ausgestattet mit einem neuen Dach und einem topmodernen Bad, aus dem dann auch noch seine Frau auftauchte. Sie zeigte sich nur kurz überrascht, dann gaben uns beide spontan eine Führung durch die ansonsten unveränderte Hütte, die sie vor einiger Zeit gekauft hatten. Die Vorarlbergerin, versteht sich, übernahm einen Großteil der Gesprächsführung. In jedem Falle schien der Mann schwer beeindruckt von dem Gegensatz zwischen dem harten Leben derer, die einst die Alp bewirtschafteten, und dem schieren Vergnügen, mit dem er heute hier seine Wochenenden verbringt. Aber die Arbeit wird ihm und seiner Frau auch heute nicht ausgehen, um die Hütte bewohnbar zu halten. Er erklärte uns dann auch noch, wie der Abstieg nach St. Gerold zu nehmen sei. Der Weg hieß "Der Wiese entlang" und es brauchte tatsächlich die Hinweise des netten Hüttenbesitzers, um uns nicht zu verlaufen.

Am Abend dann - in durchgeschwitzten Wanderklamotten - trafen wir uns zur Einstimmung auf den Workshop "Literatur und Meditation". Wir waren die einzige Gruppe im Haus und konnten alle Räume frei nutzen: Den langen Holztisch in der großen Diele, von der die Treppe hinauf in den Meditationsraum führte, den - jetzt wieder leeren - Veranstaltungssaal und natürlich auch die Sitzgelegenheiten im Hof, die Wiesen und die Wege ums Haus. Hier entstanden meditative, impulsive, reflektive Texte, kleine Gedichte nach dem Vorbild japanischer Haikus und viele neue Ideen, gespeist von Stille und Landschaft. Aber es wurde auch viel gelacht, nachgedacht, gedankengetauscht... ein paar Text-Proben habe ich ja hier schon eingestellt.

Lesen, Literatur und Meditation in der Scheune - vielleicht sogar mehr als Urlaub.
464 mal gelesen

15
Apr
2011

TouchPadagogik

Heidi, Uli und Rudi, so hießen die Hauptfiguren in dem wohl wichtigsten Buch meines Lebens: Dem Buch, mit dem ich lesen lernte. Auf einer der ersten Seiten lümmelten die drei bäuchlings auf einer Wiese und baumelten mit den Beinen, neben jedem Kind ein Name - in Druckschrift. Die Namen waren schnell gemerkt. An diesem Tag kam ich ganz aufgeregt nach Hause: "Mama, Mama, ich kann lesen!", rief ich. Ich kann mich nicht erinnern, ob sie lachte. Aber Lesen habe ich dann wirklich gelernt, und Schreiben auch. Dazu wechselten die Buchstaben ihre Form, ich nahm es hin.

Und nun stolpere ich über einen Artikel in der ZEIT: Pädagogen und Pädagoginnen wollen die Schreibschrift abschaffen! In der ersten Klasse wusste ich nicht, dass ich die "Lateinische Ausgangsschrift" lernte - im Gegensatz zur "Vereinfachten Ausgangsschrift" (alte Bundesländer neu) und der "Schulausgangsschrift" (neue Bundesländer alt). Aus diesem schnörkeligen Gebilde entwickelte sich dann meine heutige Handschrift, entrümpelt von etlichen Schlingen und Schleifen, doch sicher nicht weniger komplex. Der Grundschulverband möchte die Schreibschrift nun ganz abschaffen - zugunsten einer neu entwickelten "Grundschrift", die sich an der Druckschrift orientiert; Lesen und Schreiben werden als Einheit begriffen. Die Druckbuchstaben bekommen lediglich kleine Häkchen und Ösen hinzu, mit denen sie sich an ihren jeweiligen Nachbarn festhalten.

Ist nun die Schreibschrift wirklich obsolet? Ist sie gar eine Zumutung für die Kinder und behindert sie beim Lernen? Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich entwickelt der eine oder die andere leichter eine lesbare Handschrift ohne den Umweg über lateinische Schnörkel, und so manche Lese- oder Schreibblockade käme erst gar nicht erst auf.

Was mich jedoch aufregte (auch dafür gab es mal eine Rubrik in der ZEIT), war folgendes Zitat im ZEIT-Artikel:

"Für Ada Sasse, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Lesen und Schreiben und Professorin für Grundschulpädagogik an der Humboldt-Uni in Berlin, ist die Schreibschrift ohnehin von gestern: »Die Schreibschrift als Schrift zum Schreibenlernen war vor ein paar Jahrzehnten noch angesehen wie eine preußische Primärtugend - gleichzusetzen mit Fleiß, Ordnung, Sauberkeit und Disziplin. Aber darauf kommt es doch nicht an. Die Kinder müssen erkennen, dass Schrift ein lebensbedeutsames Kommunikationsmittel ist.« "

Letzteres erkennt man spätestens dann, wenn man feststellen muss, dass man dieses Kommunikationsmittel unzureichend beherrscht. Und was spricht bitte gegen Fleiß und Ordnung, so lange sie in einer angst- und drillfreien Umgebung eingeübt werden? Und die Bereitschaft, sich auch mal für etwas anzustrengen? Sie macht das Leben leichter - zumindest dann, wenn man sich nicht nur als Mitglied einer orientierungslosen Spaßgesellschaft begreift. Später gehen wir dann zur Volkshochschule und lernen beispielsweise Kalligrafie. Warum sollten nicht schon Kinder verschiedene Schriften lernen? Später müssen sie ja auch das "A" oder "Z" identifizieren können, egal ob es in Frutiger, Garamond oder gar einem der Schreibschrift nachempfundenen Font gesetzt wurde.

Haben wir in einem gewissen Alter nicht sogar ein Faible für Geheimschriften, so wie ich mich als Teenager mit der preußischen (!) Sütterlin beschäftigte? Die Sehnsucht nach Geheimsprache wird heutzutage durch SMS-Akronyme und Netzjargon gestillt.

Wäre es da nicht besser, man brächte Kindern das Schreiben gleich am Handy oder Laptop bei? Und die angehenden Lehrer und Lehrerinnen studierten Touchpadagogik!

Wie dem auch sei, ich gehe jetzt: AFK (away from keyboard)...

Quellen:
Fibel Bunte Lesewelt, Auer Verlag, Donauwörth, 1972, 120 Seiten (antiquarisch)
Mit Schwung, aber lesbar!, DIE ZEIT No. 13, 24. März 2011
614 mal gelesen

23
Feb
2011

Scrìvere è...

Scrìvere è viaggiare senza la seccatura dei bagagli.

Schreiben ist Reisen ohne Scherereien mit dem Gepäck.

Emilio Salgari (1862-1911), italienischer Schriftsteller
478 mal gelesen

27
Dez
2010

Zweifelsfälle der deutschen Sprache

Beim Wiederlesen meines Eintrags über die Plüschhufer stach mir ein Zweifelsfall der deutschen Sprache ins Auge: Und zwar im schönen Satz "und wachen vom Heizkörperthermostaten aus über das Küchengeschehen". Vom Thermostaten? Vom Thermostat? Spätestens, als ich die Konstruktion weiter unten ein zweites Mal verwendete, war sie mir suspekt. Vielleicht ist es ja gar kein Zweifelsfall, dachte ich, und nur ich weiß nicht Bescheid. Also suchte ich im Internet nach einer Lösung. Doch der Aufsatz Die Bedienung des Automatens durch den Mensch. Deklination der schwachen Maskulina als Zweifelsfall von Rolf Thieroff trug nur noch mehr zu meiner Verwirrung bei. Ich zitiere: "Es ist allgemein bekannt, dass bei einer Anzahl von Substantiven, die ursprünglich nach der schwachen Deklination flektieren, eine Tendenz besteht, den Akkusativ und den Dativ Singular nicht mehr zu markieren, d.h. ohne Kasussuffix zu bilden..." Ja hm. Die Endung beim Dativ weglassen? Tendenz? Ich tendiere immer noch zu solchen Endungen, nur um hinterher festzustellen, dass es sperrig klingt. Kann mir jemand weiterhelfen?
779 mal gelesen

30
Jul
2010

Dichtung und Wahrheit

Neulich fragte mich meine Freundin, ob die Geschichte mit Omas Häkeljacke eigentlich erfunden sei. Nein, gar nicht! Ich habe wirklich gehäkelt und meine Oma auch. Unschwer zu erkennen ist hingegen, dass Roman, der Radiobastler erfunden ist - oder zumindest seine sprechenden Kondensatoren, Spulen und Transistoren. Dennoch ist Roman keine rein fiktive Figur. Der eine oder die andere Technikfreak mag sich in ihm wieder erkennen. Ich begreife es als Teil meiner künstlerischen Freiheit, erlebte Situationen zu überzeichnen. Wobei das Leben oft skurril genug ist, um ohne Übertreibung auszukommen. Manchmal begegnen mir Menschen, deren Motive ich gerne kennen würde. Stattdessen gehen sie ihres Weges und lassen mich mit ihrer unerzählten Geschichte zurück. Und ich mache mir so meine Gedanken dazu...
Im Zweifel ist natürlich alles rein fiktiv.
498 mal gelesen

Alltagsfreuden
Altlasten
Dichtung und Wahrheit
Essen und Trinken
Experimente
Geschichten
Haus- und Handarbeit
Menschen
mobil
music & movies
radicchia 2.0
Reisen
Selma
Stadt und Land
Über mich
Verdammte Technik
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren